JUGOSLAWIEN -
KROATIEN - SERBIEN
Von Chaim Frank
In gesamten Territorium Jugoslawien konnten die Juden seit dem 3.
Jahrhundert über viele Jahrhunderte hinweg fast unbeschadet leben. Ab 1456
wurde der Aufenthalt der Juden in Kroatien und Slowenien verboten, wo sie
sich erst im 18. Jahrhundert wieder niederlassen durften. Nach der
Emanzipation der Juden im k&k-Imperium, etwa ab 1873, verbesserte sich
auch auf dem Balkan ihre Lebenssituation.
1931 bei einer Volkszählung wurden etwa 77.000 Juden in 121 Gemeinden
ermittelt. Ihre Zentren waren Belgrad (11.000), Zagreb (11.000), Sarajevo
(10.000), sowie Osijek, Bjelovar, Skopje, Novi-Sad u.a. Antisemitismus
wurde primär von national-klerikalen Katholiken (in Kroatien) und
pro-faschistische Gruppen, wie z.B. die Zbor-Partei propagiert.
Unter Einfluss und Druck der Deutschen auf Jugoslawien verabschiedete die
jugoslawische Regierung im Oktober 1940 eine Art "Juden-Gesetzgebung": die
Zulassung der Juden auf Höheren Schulen und Universitäten wurde beschränkt
und der Handel mit gewissen Lebensmittel wurde verboten. Beide Gesetze
wurden jedoch von der serbischen Öffentlichkeit scharf kritisiert und mit
einer öffentlichen Kampagne bekämpft.
Mit der Okkupation durch die deutsche Militärverwaltung begannen
Verschleppung und Ermordung der serbischen Juden: Ab Juni 1941 wurden die
Juden gezielt aus Serbien, Kroatien und ab 1942 aus Mazedonien und Backa
deportiert. Z.B. in Topovske Supe, Sabac, und Jasenovac wurden
Konzentrationslager errichtet. Insgesamt kamen etwa 66.000 jugoslawische
Juden (83%) um. Die Zahl der Menschen - es waren vor allem Serben und
Juden - die zwischen 1941 und 1945 dem Ustascha-Terror unter ihrem Führer
Ante Pavelic zum Opfer fielen, wird auf 800.000 geschätzt.
Unter Tito lebten die Juden mehr oder weniger ruhig in Jugoslawien; erst
in den 90er Jahren und durch die Ethnisierung diverser Konflikte gerieten
sie zunehmend wieder in die Schusslinien. Die nationalistisch geprägten
Unabhängigkeitsbestrebungen der einzelnen Länder des ehemaligen
Jugoslawien, vorrangig Kroatien und im Kosovo (vgl. à Albanien), brachte
auch einen neuen Antisemitismus mit sich.
Kroatien
1992 führte der kroatische Präsident, Franjo Tudjman aus: "Juden rufen
Neid und Hass hervor, sind stets das Opfer sowohl ihrer eigenen als auch
fremder Ansprüche." Seine antijüdische Haltung gab Tudjman bereits in
früheren Jahren kund, wo er unter anderem in einem Wahlkampf nicht nur
einmal erklärte: "Ich bin so glücklich, nicht mit einer Serbin oder Jüdin
verheiratet zu sein". In seinem 1991 erschienen Buch "Irrwege - Abhandlung
über die Geschichte des Bösen" griff Tudjman unter anderem die Frage auf,
ob tatsächlich sechs Millionen Juden während des Zweiten Weltkrieges in
Europa ihr Leben ließen und kam zum Schluss: diese Zahlen seien "emotional
übertrieben". Das kroatische KZ Jasenovac betreffend, meinte er, "... dort
seien höchstens 30.000 bis 40.000 Menschen ums Leben gekommen, die
offiziellen Angaben von mindestens 300.000 Toten seien eine Lüge".
Tudjman, von Beruf Historiker, beschrieb in diesem Buch, der Genozid sei
für das jüdische Volk ein "natürliches Phänomen, das schon von Gott Jehova
nahegelegt wird, wenn es der Wiedererrichtung des Königreiches des
auserwählten Volkes dient". An anderer Stelle ist zu lesen: "Juden rufen
Neid und Hass hervor, sind stets das Opfer sowohl ihrer eigenen als auch
fremder Ansprüche. Doch wer versucht, darauf aufmerksam zu machen, dass
sie selbst die Quelle ihrer jüdischen Tragödie sind, ruft den Hass des
Judentums hervor."
Auf journalistische Fragen, warum der kroatische Präsident es nötig habe,
sich in derartigen Gedanken zu ergießen, resümierte der seinerzeitige
Außenminister von Kroatien, Zvonimir Separovic: "Die serbische Lobby in
der Welt ist gefährlich, da sie mit jüdischen Organisationen
zusammenarbeitet."
Während der nationalen Auseinandersetzungen setzte das offizielle Serbien
in seiner Propaganda wiederum alles daran, die Regierung Tudjmans
lediglich als "faschistisch" hinzustellen um so den eigenen Angriffskrieg
gegen Kroatien zu rechtfertigen. Die Sympathie der Juden im ehemaligen
Jugoslawien lag jedoch nicht stets auf der Seite der Serben: von etwa
6.000 serbischen Juden sind - laut Angaben der jüdischen Gemeinde Belgrads
- seit Ausbruch des kroatischen Krieges rund 1.800 nach Israel
ausgewandert. Der Grund dafür war die Angst vor den serbischen Tschetniks.
Tschetniks in Serbien
Der bekannteste noch lebende Tschetnik-Führer aus dem Zweiten Weltkrieg,
Momcila Djuic, kürte im Sommer 1991 aus seinem kalifornischen Exil den
bekannten Freischärlerführer Vojislav Seselj zum neuen "Vojvod"
(Feldherrn) und gab ihm den Rat, alle "Kroaten, Albaner und andere
Elemente aus dem heiligen serbischen Land zu vertreiben". Djuic, den die
US-Administration seinerzeit loswerden wollte, sagte, ehe er in seine
Heimat zurückkehrte in einer Rede in einem serbischen Exilsender, Seselj
solle "Serbien von den letzten Juden, Albanern und Kroaten säubern und
unser heiliges Serbien zu einer neuen Blüte erwecken."
Ähnliche Gedanken ließen sich auch in Belgrader Medien finden, wie in den
Massenblättern "Duga" und "Intervju", denen zufolge das
Nachkriegsjugoslawien durch eine Verschwörung der kommunistischen
Kommintern und "jüdisch-freimaurerischen Logen" zum Nachteil des
serbischen Volkes ins Leben gerufen worden sei.
Anfang 2001 tauchten in Belgrad Flugblätter mit Hakenkreuzen auf. Zwar
entschuldigte sich der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica am 14.
Februar in aller Öffentlichkeit bei den jugoslawischen Juden und Roma für
die rassistischen und antisemitischen Auswüchse in Belgrad, aber erst,
nachdem jüdische und Roma-Organisationen gemeinsam über die freie
Serbische Medienanstalt ANEM protestiert hatten. Es gebe - so Kostunica in
seiner Erklärung - leider weiterhin Einzelpersonen, welche die eben
begonnene Demokratisierung in Serbien "beschmutzen" möchten.
Am 13. Februar und den vorgehenden Tagen hatten am Sitz der Belgrader
jüdischen Gemeinde, an der Synagoge und am jüdischen Friedhof, sowie am
Portal zu einer Ausstellung über die Roma von Belgrad unbekannte Täter
etliche Flugblätter geklebt, auf denen Hakenkreuze und in englischer
Aufschrift: "Juden hassen deine Redefreiheit" zu finden waren. Außerdem
waren Häuserfassaden der Belgrader Innenstadt mit Swastika (russ.
Hakenkreuze) beschmiert.
Wenige Monate später protestierte der unabhängige serbische Medienverband
(ANEM) gemeinsam mit anderen vor allem gegen den Verkauf von
antisemitischen Publikationen in etlichen Belgrader Buchhandlungen. Sie
appellierten an die Regierung, endlich den Kampf "gegen den neu erwachten
Antisemitismus aufzunehmen."
Während der ethnischen Konflikte und Kriege verließen etliche Juden das
Land in Richtung Israel.
hagalil.com
20-04-2002
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