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Jüdische Weisheit
 
 

UKRAINE

Von Chaim Frank

Der seit 1991 unabhängige Staat Ukraine ist heute ein Bestandteil der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) im Südwesten der ehemaligen UdSSR. Vor dem Sowjetimperium war sie ein Zusammenschluss aus früheren Gouvernements Kiev, Jekaterinoslav, Podolien, Poltawa, Charkov, Cernigov, die aus Teilen früherer Gouvernements Odessa und Donjetz sowie einem Teil Wolhyniens bestand. Der Ursprung der Ukraine findet sich im Kiewer Russ, das zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert auf diesem Boden bestand. Im 1238 drangen die Tataren, dann Litauer, Polen und Türken in das Gebiet ein. Der westliche Teil - Ost-Galizien und die Bukowina - wurde vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg vom Hause Habsburg beherrscht wurde.

In der einstigen Ukraine (Ruthenien), deren Grenzen an Weißrussland, Polen, an die Bukowina und Bessarabien reichte, entstanden im westlichen Teil im Verlaufe des 16. Jahrhunderts zahlreiche jüdische Gemeinden. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts lebten in der Ukraine 45 Prozent der gesamten jüdischen Bevölkerung des Königreichs Polen. Um 1565 bereiste Cardinal Giovanni Francesco Commendoni (auch Commendone, Kardinal und Päpstlicher Nuntius, Venedig 17. 3. 1523 - Padua, 26. 12. 1584) die Ukraine und berichtete, dass die Juden hier Land besaßen, Handel trieben und ferner sich auch mit der Heilkunst beschäftigten. Hauptsächlich aber verdingten sie sich als Pächter (Arendare) für polnische Großgrundbesitzer. Sie genossen Vertrauen und erhielten darum auch die Staatssteuern in Pacht. Das Verhältnis zwischen den Grundbesitzern und den leibeigenen Bauern und Kosaken war in der Ukraine überaus schlecht und Aufstände waren nicht selten.. Die Juden wurden aufgrund ihrer Pächter-Stellung - sie mussten die Einnahmen für die polnischen Besitzer eintreiben - das Angriffsziel und Opfer des Hasses der Volksmassen und Aufstände.

1649 schlossen die Kosaken mit dem polnischen König Jan Kasimir Frieden unter der Bedingung, dass sich Juden ,,weder als Besitzer noch als Pächter noch als Einwohner in den ukrainischen Städten", also in den von Kosaken-Regimentern verwalteten Wojwodschaften wie z.B. im Gouvernement Cernigov, Poltawa, Kiew und einigen Gebieten in Podolien aufhalten durften.

König Kasimir seinerseits gestattete den von den Kosaken zwangsweise zum griechisch-orthodoxen Glauben bekehrten Juden wieder zu ihrem Judentum zurückzukehren. Im Jahre 1650 kam es erneut zu einem Krieg zwischen den Kosaken und Polen, an dessen Ende 1651 Chmjelnicki in einem Vertrag das Recht anerkennen musste, dass die Juden wieder "Einwohner und Pächter auf den Gütern seiner kgl. Gnade und der Schlachta (Adel)" zu sein haben.

Bis ins 18. Jahrhundert kam es immer wieder zu Pogromen. Besonders während der häufigen Aufstände der Hajdamaken, Gruppen von entlaufenen leibeigenen Bauern und Kosaken, die sich an ihren polnischen Grundbesitzern rächten, kam es zu Exzessen mit Plünderungen und Morden an jüdischen Pächtern. Besonders grausam - und das blieb lange in der Erinnerung der osteuropäischen Juden verhaftet - war die Verwüstung von Uman durch die Haidamaken, wo rund 20.000 Juden und Polen umgekommen sein dürften.

Im Juli 1721 erließ der Heitmann Skoropadsky den Befehl, dass sämtliche Juden, die nicht bereit seien zu konvertieren, bis zum Oktober auszuweisen seien. Ähnliche Befehle gab es immer wieder im Verlauf der ukrainischen Geschichte.

Im späten 18. Jahrhundert entwickelten sich im podolischen Rayon unter Führung des großen Ba'al Schem-Tov und seinen Nachfolgern die chassidische Bewegung, die sich rasch über die Ukraine und später weit über ihre Grenzen hinaus verbreitete. Der größte Teil der jüdischen Bevölkerung lebte damals in den Schtetls der westlichen Ukraine, wo sie die häufig die Mehrheit der Einwohner ausmachte. Sie waren Handwerker, Händler, Pächter, Kleinlandwirte und ein nicht geringer Teil war als Bauern tätig. Die Juden waren fromm und lebten in einer sozial-homogenen Gemeinschaft, in der die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Haskala-Bewegung (Aufklärung) über einem großen Zeitraum kaum Einfluss gewann, ebenso wenig die Bewegung Chibbat Zion (Liebe Zions, ein Vorläufer der späteren zionistischen Bewegung). Das änderte sich mit der Häufung antisemitischer Übergriffe, vor denen ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung in den Westen, nach Deutschland, Frankreich, in die USA, nach Kanada und schließlich nicht minder nach Palästina floh.

1917, nach der Revolution in Russland, regten sich in der Ukraine Bestrebungen nach Selbständigkeit, was in eine nominell unabhängige "Volksrepublik" mündete. Das am 9. Januar 1918 erlassene "Statut der personalen Autonomie in der Ukrainischen Volksrepublik" gewährte den Juden als "nationaler Minderheit" eine nationale Autonomie gewährt: Wie andere Minderheiten sollten Juden einen Nationalverband mit einem jüdischen Nationalrat gründen, ein "Ministerium für jüdische Angelegenheiten" wurde geschaffen. Dieser günstige Zustand war jedoch nur von kurzer Dauer, denn schon bald tobte in Russland ein Bürgerkrieg, die Ukraine war einer der Hauptschauplätze - auch von Pogromen. Im Friedensvertrag des Jahres 1920 wurde die Ukraine eine Republik des Sowjetstaates, einige westliche Teile, Wolhynien und Ostgalizien, fielen an Polen und die Bukowina und Bessarabien wurden Rumänien angegliedert.

Bis tief in die 30er Jahre trieben Teile der geschlagenen national-ukrainischen Armee Petljuras ihr Unwesen und organisierten sich in paramilitärischen nationalistischen Gruppen, von denen vor allem die berüchtigte ORGANISAZIJA UKRAINSKICH NAZIONALISTIW auf die jüngere Generation der nationalen Ukrainern einen großen Einfluss übte.

Im Zuge von verschiedenen Auseinandersetzungen wurden im September 1939 die westlichen Teile der Ukraine - Wolhynien und Ostgalizien - und im Juni 1940 die nördliche Bukowina und Bessarabien von der Sowjetunion annektiert. Während der 30er Jahre waren die Juden in der Ukraine in fast allen Berufssparten vertreten, es wurde ein aggressiver Assimilationsprozess betrieben und als im September 1939 die restliche Ukraine der Sowjetunion angegliedert wurde, kam durch Stalins Politik zu unzähligen "Säuberungen", denen Tausende Juden zum Opfer fielen.

Am 22. Juni 1941 griff das nationalsozialistische Deutschland die Sowjetunion an und die Deutschen okkupierten bis zum Oktober 1941 fast die ganze Ukraine. Ein großer Teil der ukrainischen Bevölkerung begriff den Einmarsch Akt als "Befreiung". Diese Ansicht vertraten auch zahlreiche ukrainische Persönlichkeiten, unter ihnen auch die Führer der unierten Kirche, wie der Erzbischofs Andrej Sheptytsky und auch die meisten Häupter der autokephalen orthodoxen Kirche der Ukraine.

Nicht wenige junge Ukrainer bewarben sich zum Hilfsdienst bei verschiedenen Einheiten der Wehrmacht, Polizei und SS: die deutsche Heerführung vermeldete Ende 1943, dass eine eigene ukrainische SS-Division mit Freiwilligen aus Ostgalizien als Teil der Waffen-SS aufgestellt werden konnte. Diese Division und die Einsatzgruppen C und D ermordeten Hunderttausende von Juden, Roma und andere als Kommunisten oder Partisanen Verdächtige. Die von den ukrainischen Nationalisten erhoffte "Befreiung" erwies sich sehr rasch als Lug und Trug, denn die Deutschen beabsichtigten nicht, der Ukraine ihre Unabhängigkeit zurückzugeben, sondern die Ausbeutung des landwirtschaftlich reichen Landes. Während die Bevölkerung in der Ukraine hungerte, wurden vor ihren Augen Unmengen von Korn, Rohstoffe und Lebensmittel ins Deutsche Reich verfrachtet und Hunderttausende Menschen als Zwangsarbeiter deportiert.

Im Westen der Ukraine kam es durch Milizeinheiten und unter Beihilfe der örtlichen Bevölkerung zu Pogromen, bei denen die ohnehin schon leidgeprüften Juden ihres Eigentum beraubt, jüdischen Einrichtungen zerstört und Tausende Juden ermordet wurden.

Wie in den übrigen besetzten Gebieten wurden in zahlreichen Städten Ghettos und in ländlichen Regionen Konzentrationslager errichtet. Juden mussten den gelben Stern, Armbinden oder andere Kennzeichnungen tragen. Massenerschießungen und der Einsatz von Gas-Wagen standen auf der Tagesordnung der Sonderdienste. Die ersten größeren systematischen Morde fanden bereits im September 1941 statt: Am 19. September in Schitomir, annähernd die gesamte jüdische Bevölkerung, etwa 10.000 Menschen, wurden getötet. Zwischen 29. und 31. September, nach der Besetzung Kiews, wurden Tausende Juden in die nahegelegene Babi Jar Schlucht geführt, wo sie ermordet wurden. 15.000 Juden fanden am 13. Oktober 1941 in Dnjepro-Petrowsk bei einer Massenerschießung den Tod. In der zweiten Dezember-Hälfte wurden Juden von Charkow zunächst bis Januar 1942 in einer Traktorenfabrik zusammengepfercht, ehe man auch sie bestialisch in der Schlucht von Drobizki Jar ermordete. Die Einsatzgruppen C, D und E samt ihrer ukrainischen und rumänischen Helfershelfer durchzogen die Ukraine von Weißrussland bis hinunter nach Odessa und zur Krim und hinter ihnen färbte sich nicht nur die Erde, sondern auch der Dnjestr, Dnjepr, Bug und andere Flüsse rot vom Blut ihrer Opfer.

Die Niederlage der Deutschen Anfang 1943 bei Stalingrad markierte zwar einen militärisch wichtigen Wendepunkt, aber das Morden und die Deportationen von Juden und sogenannten "rassisch minderwertigen Menschen" in die Vernichtungslager lief bis 1944 ungehemmt weiter. Es gab Widerstand: Tausende Juden versuchten zu fliehen, es kam in etlichen Ghettos zu Aufständen, z.B. in Tucin oder Luzk, und sogar zu bewaffneten Widerstand, wie in Brody, Winnici, Jaktorov, Busk, Jaworov, Kurowice und Rogatin. Einige der geflohenen Juden gründeten eigene jüdische Kampfverbände oder schlossen sich bestehenden weißrussischen und sowjetischen Partisanengruppen an.

Im Spätherbst 1944 wurde die westliche und 1945 die transkarpatische Ukraine befreit. Wenig später kehrten die wenigen überlebenden Juden aus den zahlreichen KZs und Vernichtungslagern in ihre einstige ukrainische Heimat zurück. Doch bald schon, ähnlich wie in Polen, Rumänien und Ungarn kam es auch in der Ukraine zu antisemitischen Exzessen, wie z. B. in Kiew, weil sich die ukrainische Bevölkerung inzwischen im ehemaligen jüdischen Eigentum breit gemacht hatte.

Die Pogrome und der unterschwellige Hass ließen zahlreichen Juden, vor allem organisiert durch die Bericha, (hebr. Flucht, Entkommen -Nachkriegswanderungen jüdischer Überlebender vor allem aus Osteuropa und deren Organisationen. Die Bericha ist mit annähernd 250.000 Juden, denen ,it ihrer Hilfe die Flucht gelang, die größte illegale Hilfsorganisation der Gegenwart) nach Israel und Amerika auswandern.

Die jüdische Bevölkerung in der Ukraine vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1959
(entnommen aus: Enziklopedia schel ha-Shoa, Sifrat Poalim, Tel Aviv.)

Ende des 16. Jahrhunderts 45.000
 
Volkszählung 1648


150.000


Tatsächlich gab es am Vorabend der Massaker von 1648-1649 über 300.000 Juden, doch viele entzogen sich der Volkszählung.
Volkszählung 1764 258.000  
Volkszählung 1847





600.000





Die wirkliche Zahl betrug 900.000, doch entzogen sich wiederum viele der Volkszählung; außerdem standen damals Ostgalizien und die Bukowina unter habsburgischer Herrschaft, so daß ihre jüdische Bevölkerung nicht mitgezählt wurde.
Volkszählung 1897 1.927.268 Ohne Ostgalizien und die Bukowina
Volkszählung 1926

1.574.391

Ohne Wolhynien und Ostgalizien (die zu Polen gehörten) u. die Bukowina (Rumänien)
Volkszählung 1939 1.532.827 Wie oben
Anfang 1941
2.400.000
Ohne die transkarpatische Ukraine und die Krim
Volkszählung 1959 840.314  

Die frühen Nachkriegsjahre der Ukraine waren bis zu Stalins Tode im Jahr 1953 von dessen repressiver Politik geprägt: Etliche ukrainisch-jiddische Schriftsteller waren bis 1952 hingerichtet worden und auch der sogenannte "Ärzte-Prozess" (à Russland), war im Gedächtnis der Juden in der Ukraine präsent.

Der kurze "Frühling" - oder wie man es damals nannte: das "Tauwetter", mit dem Chrustschov seine Politik in der UdSSR der 60er Jahren prägte, war nur von kurzer Dauer. Nach seinem Sturz versuchten zigtausend Juden die Sowjetunion zu verlassen, wobei der größte Teil über Rumänien, Ungarn und bzw. Wien nach Israel emigrierten.

Bis zum Auftritt des Parteichefs Michail S. Gorbacev 1988 war es kaum möglich, die Sowjetunion auf legalem Weg zu verlassen. Seine "Glasnost" und "Perestroika" Politik brachte einerseits eine gewisse Demokratisierung in Form von Lockerung und Freiheit, andererseits ermöglichte sie auch - quasi als negative Erscheinung darin - eine freie Entfaltung von nationalem Chauvinismus in allen Teilen der Sowjetrepubliken.

Dieser neue Nationalismus wurde ab 1990, nachdem Elzin an die Macht gelangte, immer breiter spürbar. Elzins Politik und die immer massiver auftretenden nationalistischen Gruppen, die in der Ukraine vor allem die Ruch-Bewegung repräsentierte, trieben erneut - diesmal (bis 1999) fast 900.000 Juden aus dem ehemaligen Gebiet der UdSSR in den Westen. Seit den frühen 90er Jahren nahm der Antisemitismus in den osteuropäischen Ländern enorm zu. In vielen Teilen der GUS kam es immer wieder zu Ereignissen, die nicht bloß die Juden erschrecken ließen.

Anfang Juli 1992, auf einer vom Jüdischen Weltkongresses in Brüssel organisierten Tagung mit dem Thema "Antisemitismus in einer sich ändernden Welt", war auch der ukrainische Präsident geladen. Er bekundete seinen "Willen zur Zusammenarbeit zwischen Ukrainern und Juden". Zugleich - und das war neu in der ukrainischen Geschichte - bekannte sich Krawtschuk zur Mitschuld seiner Heimat an den während des Nationalsozialismus verübten Massakern bei denen Zehntausende, zumeist jüdische Opfern, u.a. in der Schlucht von Babi Jar bei Kiew, ermordet wurden. Darüber hinaus betonte er, dass inzwischen in der Ukraine ein Minderheitengesetz verabschiedet worden sei, mit dem auch den Juden eine kulturelle Autonomie zugestanden werde.

Präsident Krawtschuk verwies auf dieser Tagung auf das Wiederaufleben der jüdischen Gemeinschaft: 23 jüdische Gemeinschaften seien gegründet worden und die Gesellschaft der jüdischen Kultur in der Ukraine verfüge bereits in fast 60 Städten über Niederlassungen. Im Zuge dieser "Renaissance" hätten die Juden inzwischen - mit 480.000 Angehörigen nach den Russen die zweitgrößte Minderheit in der Ukraine - auch etliche jüdische Schulen, Synagogen und Theater eröffnet und eigene Zeitungen gegründet. Soweit stimmte der Bericht Krawtschuks in Brüssel. Er verschwieg jedoch, dass der Antisemitismus neben der Ruch- und UNSO-Bewegung (UNSO - Ukrainische Nationale Selbstverteidigung, eine ultranationalistische Organisation) vor allem auch von der ukrainischen Kirche, unter der Führung ihres Metropoliten Filaret, geschürt wurde. Selbst der Apostolische Exarch der katholischen Ukrainer in Deutschland, Bischof Platon Kornyljak, warnte vor dem "Gift des Antisemitismus" und forderte, "dem Antisemitismus wie auch dem extremen Nationalismus in allen seinen Formen zu widerstehen".

Kornyljak wusste, wovon er sprach, denn spätestens seit 1993 war bekannt, dass die Ukrainischen Nationalisten mit dem Segen der Orthodoxen und der Unterstützung der Armee eine paramilitärische Freiwilligentruppe, mit dem Ziel "eine Großukraine" zu schaffen, aufbauten.

Anders als die demokratischen Parteien und Gruppierungen beherrschten die Leute der UNSO-Bewegung die Straßen. In Lwow (Lemberg), eines ihrer Zentren, konnte man zu dieser Zeit Verkaufsstände sehen, die voll waren mit nationalistischen Broschüren, Plakaten und Flugblätter. In Kiew und anderen ukrainischen Städten sammelten sie Unterschriften und Geld "für ihre Sache", den Aufbau einer paramilitärischen Truppe. Dieses Agieren störte oder kümmerte die ukrainischen Behörden offenbar nicht. So kam es, dass einige Mitglieder der UNSO in Moldova, jener Dnjestr-Republik, wo 1992 ein blutiger Bürgerkrieg tobte, für deren Anschluss an die Ukraine kämpften. Befremdend war auch die Tatsache, dass nicht nur ausgezeichnete Beziehungen zwischen dieser paramilitärischen Gruppe und der Armee bestanden, sondern auch, dass ihre Kontakte zu Offizieren es ermöglichten, dass Teile der UNSO-Gruppe Truppenübungsplätze für ihre Trainingszwecke nutzen konnten.

In ihrem "Kampf gegen Russland und gegen die Amerikanisierung der Ukraine" wurden und werden diese paramilitärischen "Ultranational-Krieger" von der ukrainischen Kirche unterstützt, wie durch Filaret, den selbsternannten Patriarchen und ehemaliges Oberhaupt der "Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche". Insofern war es auch nicht verwunderlich, dass gerade bei den von Filaret geführten Gottesdiensten "UNSO-Krieger" vor den Kirchen anwesend waren, um Gläubige vor etwaigen Attacken ihrer Gegner zu schützen.

Davon abgesehen lagen in etlichen Städten, zwischen Lwow und Kiew, an Kiosken die Organe und ähnliche publikatorische Machwerke der ukrainischen Faschisten aus. Beispielsweise fand man dort die "Stimme des Volkes" oder "Der Nationalist" und auch als Broschüre "Die Protokolle", die als ukrainische Übersetzung in einer Massenauflage existiert. Gelegentlich konnte man auch junge Soldaten in Kiew und anderen Städten, in den Parks herumkauernd sehen, wie sie - ebenfalls in feinster Übersetzung - Hitlers "Mein Kampf" lasen. Völlig die Geschichte verdrehend, thematisierte so manches Flugblatt das Kapitel der ukrainischen Partisanen , etwa aus der Zeit nach 1942, die zunächst gemeinsam mit der Wehrmacht und später alleine versuchten, einen unabhängigen ukrainischen Staat zu erkämpfen. "Ukraine den Ukrainern!" wetterte es aus den Pamphleten, als auch Sätze wie: "Wenn Ihr Amerika nicht nur durch das Fenster eines Reisebusses sehen wollt, sondern durch die Luke eines Panzers, dann tretet in die UNSO ein".

Anfang Januar 1994 kam es zu einem versuchten Sprengstoffattentat auf die Zentrale der ukrainischen Nationalbewegung "Ruch" und den Ruch-Sekretär Bojcinin. Die Ruch war längst keine kleine national-politische Vereinigung mehr, sondern konnte bei den Parlamentswahlen 1994 auf ein großes Wählerpotential blicken. Bereits der Wahlkampf war von zahlreichen Übergriffen gegen Kandidaten überschattet, bald darauf wurde der Vizechef der Ruch, Mihailo Bojcinin, entführt und als dieser nicht wieder auftauchte, vertraten seine Parteifreunde die Ansicht, dass er "einem Rollkommando der Mafia zum Opfer gefallen" sei. Weitere Vertreter aus den Kreisen der national-ukrainischen Faschisten waren ebenfalls Attacken ausgesetzt, wie der Kandidat der "Ukrainischen Nationalen Selbstverteidigung" (UNSO), in Tarnopol.

In Lwow zogen Beamte der Inneren Sicherheit einen Kandidaten der rechts-faschistischen "Ukrainische Staatliche Selbständigkeit" vorübergehend aus den Verkehr, nach dem er während eines TV-Magazins seine Wählerschaft zu antisemitischen Pogrome aufforderte.

Einige Abteilungen der paramilitärischen Gruppen geben eine "demokratische Haltung" vor. So meinte der Kommandant der UNSO, Dmitro Korcinski 1994 während des Parteitag der Rechten zu einem Journalisten: "Unserer Organisation kann jeder beitreten, ohne Rücksicht auf die Nationalität", denn "unsere Aufnahmeformulare enthalten keine Rubrik für die Nationalität". Diese "Haltung" konnte auch in seiner Partei-Zeitung, der "Zamkova Hora" (Schloßberg), nachgelesen werden, wo Korcinski u.a. schrieb: "Wenn Ihr den Treue-Eid leistet, so legt eure Hand auf was immer ihr wollt: aufs Evangelium, den Koran oder die Tora."

Aus dem UNSO-Blatt "Holos Nacji" (Volks-Stimme) hingegen dringen andere Töne zum Leser: "Alle Menschen sind Deine Brüder, aber die Moskowiter, Polaken, Ungarn, Rumänen und Juden sind Feinde Deines Volkes. Nimm Dir keine Ausländerin zur Frau, denn Deine Kinder werden Deine Feinde sein. Befreunde Dich nicht mit den Feinden Deines Volkes, denn damit gibst Du ihnen nur Kraft und Mut." Das war nichts neues, sondern der billige Abklatsch von "Theorien", wie sie zwischen dem I. und II. Weltkrieg von den "alten" ukrainischen Nationalisten vertreten wurden.

Zwar wurde bereits im November 1993 der Versuch unternommen ein Gesetz zu verabschieden, das die Bildung und Finanzierung von paramilitärischen Einheiten (vor allem die außerhalb des Landes einzusetzenden) unterband. Seit 1991, also seit ihrer Gründung in Moskau während der Putsch-Tage im August, konnte sich aber die UNSO-Organisation auf 24 von insgesamt 26 Regierungsbezirken in der Ukraine ausdehnen und zählt gegenwärtig etwa sechs- bis siebentausend Mitglieder.

Die anfängliche strikte "antirussische" Haltung der UNSO, die seinerzeit vor allem in Moskau die ärgsten Feinde der ukrainischen Unabhängigkeit vermuteten, wurde längst gemildert beziehungsweise abgelegt, zumal seit langem schon innige Kontakte zu panslawistische Bewegungen und zu Mitgliedern der " Liberaldemokraten", besonders zu Schirinowski, gepflegt wurden. Dies bewies nicht zuletzt der "Parteitag" im Dezember 1993, auf dem sich in Kiew Vertreter der nationalistischen Parteien und Organisationen des gesamten ehemaligen Ostblock trafen, und wo Schirinowski zum Vorsitzenden der hier gegründeten "Slawischen Sammlungsbewegung" auserkoren wurde. Als dessen Stellvertreter wurde der polnische Faschist Boleslaw Tejkowski bestimmt, der sich in der Vergangenheit immer wieder wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass zu verantworten hatte.

Wie sorglos das ukrainische Parlament, und mehr noch das Justizministerium in Kiew mit diesen radikal-faschistischen Gruppen umging, bewies alleine schon die Tatsache, dass die rechtsextremistische "Ukrainische Nationale Versammlung" (UNA) im Dezember 1994 offiziell vom Kiewer Justizministerium als "Partei" zugelassen wurde, obwohl es längst hinreichend bekannt war, dass ihre rund 4 ½ Tausend Anhänger als militante Nationalisten gelten.

Seit Mitte der 90er Jahre gibt es in zahlreichen Städten und Gegenden in der Ukraine Hetzkampagnen gegen Juden, Roma und anderen "Nicht-Ukrainern". Die jüdische Bevölkerung zählt heute weniger als 1 Prozent (von 52 Millionen Bewohnern) der Ukraine, die Mehrheit machen ältere Menschen.

Vielerorts treten immer wieder Anhänger des Moskauer Faschisten Alexander Barkaschow offen in Erscheinung. Die "Barkašovzi", wie sie allgemein bezeichnet werden, tragen ähnlich wie ihre "Kollegen" in anderen Ländern, schwarze Armbinden, auf denen auf einem hellem Kreis ein stilisiertes Hakenkreuz zu sehen ist. Mit lauten Parolen fordern sie eine Süd-Ukraine ohne Juden und Zigeuner, und wünschen das Wohnrecht in der Ukraine auf "reine slawische Bürger" (d.h. Russen, Ukrainer und maximal auch Belorussen) begrenzt zu sehen.

Die Proteste der jüdische Gemeinden, besonders der Vorwurf, dass die Sicherheitsorgane ,,untätig gegenüber diesen Rassisten" sind, verhallte vor den offiziellen Stellen. Wie überall in Osteuropa haben auch hier, in der Ukraine, die Juden zu Tausenden das Land verlassen und emigrierten in den "sicheren Westen", wo sie nun als ein wichtiger Bestandteil der jüdischen Gemeinden zu bemerken sind. So hat nicht nur der Stalinismus und der Hitlerismus sondern auch der Chauvinismus des 21. Jahrhunderts dazu beigetragen, dass auf schmerzlichster Weise eine Jahrhunderte alte Symbiose von Slawen und Nicht-Slawen zerstört werden konnte; ... eine traurige Erkenntnis nach allen Kriegen und der Shoah!

Quellen:
(zu den Artikeln von Chaim Frank, sofern sie nicht im Text genannt wurden)
Historische Teile:
Hilberg: Die Vernichtung der europäischen Juden; 3 Bd.;
Jüdisches Lexikon, 5 Bd., Berlin 1929
Lexikon des Holocaust; 3 Bände
Aktuelle Teile:
Mitteilungs-Blatt (Dokumentations-Archiv); München, 1988-1995
Mitteilungs-Brief (Dokumentations-Archiv); München, 1988-1995
Allgemeine Jüdische Wochenzeitung, Bonn / Berlin, 1980-2002;
Die Gemeinde, Wien, 1980-2002;
Illustrierte Neue Welt, Wien, 1990-2002;
Israelitisches Wochenblatt, Zürich, 1988-1997;
Moskau News, (dts / ruß.), 1988-1994;
News Bulletin, 1992, Federation of the Jewish Communities in Romania; Bucarest;
Newsweek, 1977-1995;
Perspektiva, Moscow, 1999
Profil, Wien 1985-1998;
Die Zeit, Hamburg, 1985-2002;
Tageszeitungen / Presse:
Frankfurter Rundschau; 1990-2002;
Neue Züricher Zeitung; 1990-1999;
Pravda, Moscow, 1989-1995;
Die Presse, Tageszeitung, Wien 1980-2002;
Der Spiegel, Hamburg, 1990-2002;
Süddeutsche Zeitung, München, 1988-2002;
TAZ, Tageszeitung, Berlin 1986-2002

hagalil.com 20-04-2002


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