Golda
Meir:
Respekt und Kritik zum 100.Geburtstag
3.Mai 1898 - 8. Dezember
1978
Die Amtszeit Levi Eshkols, des
Vörgängers von Golda Meir, sollte die Übergabe der Macht an die jüngere
Generation einleiten. Mit der damals 70-jährigen Golda Meir folgte ihm nach
seinem Tod 1969 aber wiederum ein Mitglied der alten Chaluzim.
Noch heute wird Golda vor allem wegen ihrer
Sozialpolitik hoch geschätzt. In Rußland geboren und in den USA
aufgewachsen, emigrierte die Lehrerin 1921 nach Palästina und war bald in
der Arbeiterbewegung aktiv. Schon 1948 begründete sie dauerhafte
Geheimkontakte zu Arabern, wie zum jordanischen König Abdallah, dem später
ermordeten Großvater des heutigen Königs Hussein, mit dem sie sich schon vor
1948 heimlich traf.
Seit 1949 war Meir Arbeitsministerin unter Ben Gurion, 1956 wechselte sie ins
Außenministerium. Sie legte den Grundstein für ein umfassendes israelisches
Sozialversicherungssystem. Besonderen Wert legte sie auf die Intensivierung
der Beziehungen zu den neuen unabhängigen Staaten Afrikas in den 60er
Jahren. Während ihrer Zeit als Ministerpräsidentin begannen Syrien und
Ägypten im Oktober 1973 den Jom Kippur-Krieg. Nach massiver Kritik an
Versäumnissen von Regierung und Armee in der Anfangsphase dieses Krieges
trat Golda Meir zurück. Vor allem wegen ihrer starren Haltung und der
dadurch versäumten Chance zu Friedensgesprächen während ihrer Amtszeit,
sehen viele in Israel Golda Meir heute in einem eher kritischen Licht.
Golda zerbrach am
Yom-Kippur-Krieg
Jerusalem (haga/haArez/dpa) - Golda Meir, die
am 3. Mai 100 Jahre alt geworden wäre, galt stets als Israels «Eiserne
Lady». Schon vor ihrer Zeit als israelische Regierungschefin war sie nach
einem berühmt gewordenen Urteil von David Ben Gurion «der einzige wirkliche
Mann» im Kabinett des ersten israelischen Regierungschefs.Trotz der ihr
nachgesagten Unbeugsamkeit zerbrach die 1898 in Kiew geborene Jüdin
politisch und persönlich am «Jom-Kippur-Krieg» des Jahres 1973, der für
Israel beinahe katastrophal endete.
Meir war 1906 mit ihrer Familie zunächst in
die USA ausgewandert, wo sie sich später der sozialistisch-zionistischen
Bewegung anschloß. 1921 übersiedelte die willensstarke Frau dann ins
damalige Palästina. Dort lebte sie zunächst drei Jahre lang in einem Kibbuz
und wurde in der linken Mapai-Bewegung aktiv. Mitte der zwanziger Jahre
gebar sie im Abstand von eineinhalb Jahren ihre Kinder Menachem und Sarah.
Ihre Ehe mit Maurice Meyerson, den sie 1917 noch in den USA geheiratet
hatte, scheiterte.
1946 übernahm Meir die Leitung der
politischen Abteilung der Jewish Agency. 1948/49 war sie dann Gesandte in
Moskau. Ihre Zeit als Parlamentarierin dauerte von 1949 bis 1967: Zunächst
war sie sieben Jahre lang Arbeitsministerin, dann von 1956 an zehn Jahre
Außenministerin. Als Levi Eschkol im März 1969 starb, wurde Golda Meir
Regierungschefin.
Als Meir die Regierung übernahm, befand sich
Israel noch auf der Welle des nationalen Selbstbewußtseins. Nach dem
spektakulären Erfolg im Sechs-Tage-Krieg, in dem Israel 1967 Westjordanland,
Golanhöhen, Ost- Jerusalem und die ägyptische Sinai-Halbinsel eroberte,
hielten viele Israelis ihre Armee für unbesiegbar.
Meir war nicht
bereit, die besetzten Gebiete im Tausch für eine Friedenslösung mit
Palästinensern und arabischen Nachbarstaaten wieder zurückzugeben, wie es
viele ihrer Kollegen forderten. Ihre Ansichten über den
israelisch-arabischen Konflikt galten als vereinfachend und rigide. So
versäumte es Golda Meir, Israel schon vor 20 Jahren auf den Weg eines
stabilen Friedensprozesses zu bringen. Nicht nur Jizhak Rabin sah in der
Regierungszeit Golda Meirs vor allem eine Zeit vertaner Chancen.
Palästinenser entrüsten sich heute noch über die berüchtigten Worte Meirs,
die einmal sagte, es gebe kein palästinensisches Volk.
Ihre politische Karriere scheiterte jedoch am
Yom-Kippur-Krieg: Am 6. Oktober 1973 griffen Ägypten und Syrien ein
vollständig unvorbereitetes Israel am Tag des jüdischen Versöhnungsfests an,
an dem es weder Radio- noch Fernsehsendungen gibt. Israels politische und
militärische Führung hatte zuvor eindeutige Warnungen des Geheimdienstes vor
einem drohenden Angriff in den Wind geschlagen, weil sie einen Krieg zu
diesem Zeitpunkt für absolut unwahrscheinlich hielte. Nach schweren
Verlusten konnte die israelische Armee die angreifenden Armeen
zurückdrängen, nach knapp drei Wochen waren die Kämpfe beendet. Der Krieg
löste jedoch in Israel eine politische Erschütterung aus. Unter dem Druck
der öffentlichen Meinung ernannte Meir eine Untersuchungskommission. Nach
Veröffentlichung der Schlußfolgerungen trat sie zurück, obwohl der Bericht
die politische Führung nicht eindeutig verantwortlich machte.
Die nationale «Jom-Kippur»-Schlappe gilt als
Hauptgrund für den späteren Machtwechsel, bei dem 1977 rechtsgerichtete
Kräfte zum ersten Mal in Israels Geschichte ans Ruder kamen. Ein Jahr
später, am 8. Dezember 1978, starb Golda Meir,
hagalil.com / 05-05-1998 |