Mannheimer
Morgen
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Ein deutscher Patriot
Von Michael Schröder
Ignatz Bubis hat unter seinem Amt gelitten, aber
leidenschaftlich darin gestritten. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden
kämpfte schlagfertig, rastlos und couragiert für eine Selbstverständlichkeit,
die doch für viele noch immer keine ist: dass Juden in Deutschland ebenso
Deutsche sind wie Protestanten oder Katholiken. Fremd sein im eigenen Land:
Nichts verdeutlicht diese Kluft besser als jene Begeg nung zwischen Bubis und
einem Bundestagsabgeordneten, der von "Ihrem Botschafter" sprach - gemeint war
der Vertreter Israels in Bonn. Dass sich hinter solchen kleinen
"Missverständnissen" mehr verbarg, nämlich Gedankenlosigkeit und längst
verschwunden geglaubte Vorurteile, wurde Bubis spätestens nach der Rede von
Martin Walser in der Paulskirche klar.
Nein, Bubis hat nie, wie Walser lamentierte, die "Moralkeule"
geschwungen. Er war ein Mahner und Moralist von hoher Autorität, der eine
klare Sprache über den Holocaust nicht scheute und gleichzeitig eine
Normalität verkörperte, die man bei seinen Vorgängern oft vermisste. Mit ihm
ist die Integration der Juden in die Gesellschaft ein Stück gewachsen. Daran
ändert auch nichts, dass Bubis am Ende leise resignierte und am Erfolg seiner
Arbeit zweifelte. Sein Verdienst um das bessere Verständnis bleibt - trotz
mancher Rückschläge - über den Tod hinaus. Mit Bubis starb ein deutscher Jude
und demokratischer Patriot - ein "Glücksfall", wie der frühere Bundespräsident
Roman Herzog ihn nannte, für dieses Land.
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