Der Schriftsteller Amos Oz:
Gespräch in Arad
... über den Frieden in Israel, die
Rolle der Deutschen
und die Frage, ob G'tt immer recht hat...
Der israelische Schriftsteller Amoz Oz gilt als das
Gewissen seiner Nation. Als Mitglied der Friedensbewegung "Shalom 'akhshav
// Peace Now" fordert der 60jährige überzeugte Sozialist seit langem den
Rückzug aus den besetzten Gebieten. Als ihm 1998 der "Israel Preis" für
Literatur zugesprochen wurde, protestierten rechtsgerichtete Siedler und
fundamental-religiöse Nationalisten. Doch er kritisierte auch die Haltung
europäischer Pazifisten während des Golfkrieges. 1992 erhielt er den
Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Mit Amoz Oz unterhielt sich Christine Dössel. Das
Interview erschien in der
SZ. In den nächsten Tagen werden wir verschiede Auszüge aus diesem
Gespräch - bei einer Begegnung in Arad - bringen.
Israel Tür an Tür mit Palästina:
Ist der Frieden jetzt nah?
CD: Ist der Frieden jetzt nah?
AO: Erwarten wir mal lieber keine Wunder. Glauben Sie nicht, daß
jetzt, wenn Barak sich mit Arafat trifft, der eine zum anderen sagt: Oh,
Bruder, sag mir, was du für den Frieden willst – und nach einigen
Umarmungen und ein paar Tassen Kaffee werden sie den Vertrag
unterzeichnen. Ich erwarte keinen sofortigen Durchbruch; ich erwarte ein
nahöstliches Verhandlungsklima, wie es bei uns auf dem Markt üblich ist:
Der Händler nennt einen Preis; daraufhin geht der Kunde wortlos davon,
bis ihn der Händler zurückpfeift und fragt, welchen Preis er bereit wäre
zu zahlen. Dann nennt der Kunde einen Preis, woraufhin der Händler
erstmal in Ohnmacht fällt, und so fort. Da wird es Krisen und
Rückschläge und Pattsituationen geben. Aber ich glaube, daß ziemlich
klar ist, daß am Ende eine Zwei-Staaten-Lösung stehen wird: Israel Tür
an Tür mit Palästina. Ein Land – zwei familiäre Einheiten.
CD: Immer wenn der Friedensprozeß auf den Weg gebracht war,
gab es Anschläge, Terrorakte.
Wird es Terrorakte geben? Das kann niemand genau sagen. Aber der
Hauptunterschied zu früher ist, daß im Moment die meisten Israelis
überzeugt sind, daß Arafat und die palästinensische Autonomiebehörde
wirklich versuchen, Terroranschläge zu vermeiden. Dieses Gefühl war vor
drei Jahren unter den Israelis nicht weit verbreitet. Damals verlor
Simon Peres zum Teil auch deshalb gegen Benjamin Netanjahu, weil viele
Israelis fürchteten, die palästinensischen Führer würden ein doppeltes
Spiel spielen. Arafat hat es aber geschafft, größere Terroranschläge
schon seit mehr als einem Jahr zu unterbinden: Er hat bewiesen, daß er
es ernst meint. Beide Seiten wissen inzwischen, daß es keine Alternative
gibt zu einer vernünftigen Teilung des Landes in zwei Staaten.
Ist es eine schmerzhafte Trennung?
Die Leute werden nicht auf den Straßen tanzen. Beide Seiten
müssen große Opfer bringen, das tut weh. Das Zwei-Staaten-Modell ist
keine ideale Lösung. Es ist auch kein philosophisches Modell von
Brüderlichkeit und Zusammenarbeit. Aber es ist momentan die einzige
praktische Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Ich
möchte unsere Freunde in Europa bitten, Verständnis für uns
aufzubringen. Wir können im Moment jedes Quentchen Mitgefühl aus Europa
brauchen – Mitgefühl und Hilfe. Mit anderen Worten: Sie müssen künftig
nicht mehr pro-palästinensisch oder anti-israelisch oder pro-israelisch
und anti-palästinensisch sein. Sie können einfach für den Frieden sein.
... Fortsetzung folgt:
Staat und Religion - Jerusalem - Deutschland - Israelische Identität?
haGalil onLine -
08-99 |