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Ignatz Bubis 1927-1999

Der unabhängige Demokrat


Ignatz Bubis mit Bundeskanzler Schröder 
und Bundespräsident Herzog (Foto: reuters)

Ignatz Bubis galt in Deutschland viele Jahre als moralische Instanz. Wann immer er sich zu politischen oder gesellschaftlichen Themen äußerte, war ihm Aufmerksamkeit sicher. Als Sohn russischer Juden wurde er 1927 in Breslau geboren. Als er acht Jahre alt war, verließ die Familie wegen des beginnenden Naziterrors Schlesien und ging nach Polen.

Im polnischen Tschenstochau verbrachte er Jahre im Arbeitslager und in der Munitionsfabrik. Der Einmarsch der Sowjets im Januar 1945 rettete ihm das Leben, fast seine gesamte Familie wurde jedoch von den Nazis umgebracht. Sein Vater starb im Vernichtungslager Treblinka. Erst Jahrzehnte später war Bubis in der Lage, darüber zu sprechen.

Nach dem Ende des Kriegs kehrte Bubis nach Deutschland zurück. Zwar zögerte er nach eigenem Bekunden vor diesem Schritt, aber später sagte er, "würden alle Juden Deutschland verlassen, gäbe man Hitler nachträglich Recht". Bubis legte viel Wert darauf, als deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens bezeichnet zu werden.

Nachdem er zunächst in Stuttgart und Pforzheim im Edelmetallhandel tätig war, ging er 1956 nach Frankfurt, wo er rasch Erfolg im Immobilienhandel hatte. Seine Geschäfte im Stadtteil Westend brachten ihm in den 60-er und 70-er Jahren Konflikte mit der Hausbesetzerszene ein. 1985 besetzte er mit anderen die Bühne des städtischen Theaters und verhinderte die Aufführung des als antisemitisch aufgefassten Fassbinder-Stücks "Der Müll, die Stadt und der Tod", in dem ein jüdischer Spekulant im Mittelpunkt steht.

Seit den frühen 80-er Jahren spielte Bubis eine führende Rolle in jüdischen Verbänden. In Frankfurt war das FDP-Mitglied seit 1983 Vorsitzender der jüdischen Gemeinde. An die Spitze des Zentralrats der Juden in Deutschland wurde Bubis 1992 als Nachfolger von Heinz Galinski gewählt. Seitdem trat er häufig öffentlich auf und suchte bei zahlreichen Gelegenheiten das Gespräch mit anders Denkende. Angesichts der fremdenfeindlichen Ausschreitungen Anfang der 90-er Jahre äußerte sich Bubis besorgt vor allem über die schweigende, insgeheim zustimmende Masse. Sein Einsatz für die deutschen Juden wurde 1998 im israelischen Parlament mit der Verleihung des Goldstein-Preises gewürdigt.

In der Diskussion um das geplante Holocaust-Denkmal in Berlin bezog Bubis nicht eindeutig Stellung, sondern sagte, wichtiger als Denkmäler seien Gedenkstätten an den Orten des Holocaust. Zur Entschädigung der Opfer trat er für eine Änderung der Haltung von Unternehmen und Banken ein und engagierte sich nicht nur für die jüdischen Opfer.

Politisch engagierte sich Bubis, der seine Frau und eine erwachsene Tochter hinterlässt, seit 1969 in der FDP. Als Spitzenkandidat bei der Kommunalwahl verhalf er den Liberalen im März 1997 nach 16 Jahren zur Rückkehr ins Frankfurter Stadtparlament.

Aufsehen erregte Bubis zuletzt mit seiner öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung mit dem Schriftsteller Martin Walser über den Umgang mit dem Holocaust. Bubis warf Walser vor, in seiner Dankesrede für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hab er für eine "Kultur des Wegschauens und Wegdenkens" plädiert. Ende Juli dieses Jahres zog Bubis in einem Interview mit dem STERN eine bittere Bilanz seiner Amtszeit an der Spitze des Zentralrats: Er habe fast nichts bewirkt, jüdische und nicht- jüdische Deutsche seien einander fremd geblieben, sagte er.

Das letzte Interview:
"Herr Bubis, was haben Sie bewirkt?"

Er gilt als moralische Instanz im Land. Und der Hang der Deutschen, am Ende des Jahrhunderts die Vergangenheit zu entsorgen, verbittert ihn immer mehr.

STERN-Gespräch mit Ignatz Bubis, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, über Angst, Schuld und sein Leben als Deutscher

STERN: Wie geht es Ihnen, Herr Bubis?

BUBIS: Danke, auf dem Weg der Besserung, wie man so sagt. Es ist alles zusammengekommen. Erst eine Bandscheibenoperation, dann ein Bruch im Halsschenkelwirbel, und schließlich kam noch eine leichte Thrombose in der Wade hinzu. Weil ich drei Monate nicht gelaufen bin, leide ich unter starker Muskelschwäche. Zur Stabilisierung brauche ich nun eine vierwöchige Kur.

STERN: Vier Wochen Kur? Sie haben bisher ja nicht einmal zwei Wochen Urlaub an einem Stück durchgehalten.

BUBIS: Diesmal muß ich es schaffen.

STERN: Weil Sie in diesem Land an allen Ecken und Enden gebraucht werden? Bis heute hält sich selbst in der politischen Klasse die Meinung, Sie seien qua jüdischen Glaubens Israeli. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth hat Ihnen im Zusammenhang mit dem Friedensprozeß "in Ihrem Lande" doch erst kürzlich alles Gute gewünscht.

BUBIS: Frau Roth hat angerufen und sich entschuldigt. Ich bin deutscher Staatsbürger - solange dieses Grundgesetz meinen Vorstellungen entspricht. Wie wird man Deutscher? Wie wird man katholisch, wie evangelisch? Habe ich mir meine Religion ausgesucht? Nein, ich bin in diese Religion hineingeboren, mit ihr aufgewachsen. Ich bin kein strenggläubiger Jude, bin Jude aus Respekt vor meinen Eltern. Sehen Sie, eine Biographie trägt auch immer die Handschrift des Zufalls. Der Traum meines Vaters war, aus religiöser Überzeugung, in Israel beerdigt zu werden. Er wurde in Treblinka umgebracht.

STERN: Sie verstehen den Traum Ihres Vaters, aber Sie teilen ihn nicht?

BUBIS: In gewissem Sinne ja. Allerdings bin ich pragmatisch.Ich möchte in Israel beerdigt werden, weil ich nicht will, daß mein Grab in die Luft gesprengt wird - wie das von Heinz Galinski.

STERN: Ist das nicht auch die Angst, in deutscher Erde, wo Nazis begraben sind, zu ruhen?

BUBIS: "Deutsche Erde" ist mir ein zu weit gehender Begriff. Da ist der jüdische Friedhof schon eine Enklave. Es geht nicht nur um das In-die-Luft-Sprengen, sondern auch um die Schmierereien und alles, was dazugehört. Leider ist die Gefahr, daß die Würde der Toten verletzt wird, hier immer noch groß - besonders, wenn man ein öffentliches Amt hat.

STERN: Sie sind seit sieben Jahren Präsident des Zentralrats der Juden. Sie gelten als moralische Autorität. "Je mehr man sein Leben einem Zufall verdankt, desto mehr ist man bestrebt, etwas zu bewegen", haben Sie geschrieben. Was haben Sie bewirkt?

BUBIS: Ich habe nichts oder fast nichts bewirkt. Ich habe immer herausgestellt, daß ich deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens bin. Ich wollte diese Ausgrenzerei, hier Deutsche, dort Juden, weghaben. Ich habe gedacht, vielleicht schaffst du es, daß die Menschen anders übereinander denken, anders miteinander umgehen. Aber, nein, ich habe fast nichts bewegt. Die Mehrheit hat nicht einmal kapiert, worum es mir ging. Wir sind fremd geblieben; sicher auch, weil sich die Juden in diesem Land teilweise selbst ausgrenzen.

STERN: Sie haben Hunderttausende junger Menschen direkt angesprochen - Sie waren in Schulen, an Universitäten. Und Sie sagen heute, Sie hätten nichts bewirkt?

BUBIS: Bei dem einen oder anderen habe ich vielleicht etwas bewirkt. Wenn mir Menschen in anonymen Anrufen oder Briefen drohen und vorwerfen, ich sei der Verderber der deutschen Jugend, dann denke ich: Aha, du hast also doch ein wenig was bewegt, die wissen, daß du die Jungen erreichst. 600000 Menschen habe ich angesprochen. Aber wenn mir jemand sagt, es habe ein grundsätzliches Umdenken gegeben, nein. Jungen Leuten sage ich: Ich erwarte nicht, daß ihr jeden Morgen erst mal ein Häufchen Asche holt und euch über das Haupt streut. Aber ihr müßt wissen, wozu Menschen fähig waren. Im Grunde genommen meine ich heute, daß ich die Falschen besucht habe. Ich hätte nicht die Schüler, sondern die Lehrer aufsuchen müssen. Wissen Sie, ich habe heute mehr Verständnis für Heinz Galinski als früher.

STERN: "Ich habe nicht überlebt, um zu schweigen", hat Ihr Vorgänger gesagt.

BUBIS: Ja, er hatte Auschwitz im Herzen, er war auf die Vergangenheit fixiert, das muß man verstehen. Ich wollte diese Phase überwinden, ich habe versucht, Vergangenheit und Zukunft zu verbinden. Heute bin ich Galinski näher, auch, was das Verbittertsein anbetrifft. Im Grunde genommen hat er auf seine Weise das gleiche versucht.

STERN: Das klingt, als seien Sie einsam, müde - auch im Sinne Ihres Amtes.

BUBIS: Nein, ganz so weit ist es noch nicht. Und es gibt jedenfalls meinerseits keine solchen Gedanken. Sollte es allerdings jemanden geben, der einen breiten Konsens in der jüdischen Gemeinde findet, werde ich kein Hindernis sein. Für Spekulationen ist es aber zu früh.

STERN: Warum sind Sie verbittert? Weil Ihre nichtjüdischen Landsleute die Vergangenheit abschließen wollen? Weil Menschen wie Klaus von Dohnanyi von Ihnen einen "behutsameren Umgang mit den nichtjüdischen Landsleuten" fordern?

BUBIS: Ach, den Dohnanyi, den nehme ich nicht so ernst. Ich habe kein Problem mit nationaler Identität, wenn die Verfassung stimmt, wenn die Grundsätze stimmen. Ich selbst bin in Israel öffentlich für die deutsche Vereinigung eingetreten. Ich habe das gleiche aus tiefer Überzeugung in Ost und West, auch in den USA und Kanada getan. Vielleicht mit Ausnahme der USA war die deutsche Einheit umstrittener, als viele das in Deutschland geglaubt haben. Ich habe damals darauf gedrängt, daß im Einigungsvertrag oder im Grundgesetz verankert wird, daß die Zeit des Nationalsozialismus ein Teil der deutschen Geschichte ist, daß Lehren für die Zukunft gezogen werden - sei es in einer Präambel, sei es in sonst irgendeiner Form.

STERN: Und?

BUBIS: Wir sind auf taube Ohren gestoßen bei Wolfgang Schäuble, auch bei der damaligen Opposition. Im öffentlichen Bewußtsein ist die Verantwortung für Auschwitz nicht verankert. Jeder in Deutschland fühlt sich verantwortlich für Schiller, für Goethe und für Beethoven, aber keiner für Himmler. Ein Großteil der Bevölkerung denkt wie Martin Walser. Ende. Zeit, Schluß zu machen, nur noch nach vorne schauen. Das ist nicht immer böse Absicht, nur sage ich: Ohne den Blick nach hinten geht es nicht. Und dann gibt es Menschen, die offenbar Angst vor der eigenen Meinung haben, das ist noch schlimmer. Im Zusammenhang mit der Walser-Kontroverse wollte die "Welt" Briefe an mich abdrucken, die meine Position stützten. Ich habe der Zeitung 30 Briefe zugeschickt, deren Abdruck ich von der Zustimmung der Briefeschreiber abhängig gemacht habe. Manche von ihnen hatten dann plötzlich Angst vor der eigenen Courage und wollten nicht genannt werden.

STERN: Herr Bubis, das neue Deutschland, das Bundeskanzler Gerhard Schröder repräsentiert, wird "unbefangener, in einem guten Sinne sogar deutscher sein". Sagt Schröder.

BUBIS: Die heutige Politikergeneration möchte auf eine sanfte Walser-Tour das Ganze zurückdrehen. Nicht "Mahnmal der Schande", nicht "Moralkeule", nicht so harte Ausdrücke. Schröder hat nach der Bubis/Walser-Debatte sinngemäß gesagt, jetzt, nach dieser Diskussion, müssen wir das Mahnmal bauen. Das hört sich so an, als ob die Regierung den Bubis nicht im Regen stehenlassen könne. Dabei ist das kein Bubis-Mahnmal. Roman Herzog hat vom Mahnmal der Würde gesprochen: Wir bekennen uns. Eine ganze Reihe Abgeordneter, die dafür gestimmt hat, hat es auch so empfunden, aber viele eben nicht. Es gab die Meinung: Laßt endlich mal Ruhe damit. Nun baut das Mahnmal! Weg damit! Nur für die Juden. Okay, runter vom Tisch! Es war auch hier Schlußstrich-Debatte.

STERN: Warum wird es nur für die ermordeten Juden gebaut und nicht für alle Opfer des Nationalsozialismus?

BUBIS: Ich will die Opfer nicht klassifizieren, wirklich nicht. Ich klassifiziere im Kosovo auch nicht zwischen den Kosovaren und den Serben. Jedes Opfer ist ein Opfer. Aber jedes jüdische Kind war schon zum Tode verurteilt, noch bevor es zur Welt gekommen ist. Deshalb ist dieser Genozid ein anderer, allenfalls noch vergleichbar mit jenem, der an den Sinti und Roma verübt worden ist. Politische Gegner wußten, was sie tun. Was aber nutzte es einem Juden, wenn er erklärte, ich bin ein Nazi? Nichts. Im übrigen bin ich der Meinung, daß es selbstverständlich auch für die anderen Opfergruppen Mahnmale geben muß.

STERN: Am 16. Januar 1945, als Sie mit 18 Jahren aus dem Lager Tschenstochau befreit wurden und einsam auf der Straße standen, schreiben Sie in Ihrer Autobiographie, "gab es niemanden mehr, um den ich mich hätte kümmern können, und auch niemanden, der sich um mich gesorgt hätte". Ist der öffentliche Beifall, den Sie heute bekommen, für Sie eine Art Zuwendung?

BUBIS: Natürlich ist das auch eine Form, schon. Ich wäre ein Heuchler, wenn ich nicht sagen würde, daß es mir guttut. Aber es spielt etwas anderes die tragende Rolle - Verantwortung für die Menschen, die Gemeinschaft, für Minderheiten. Ich habe mit meiner Frau darüber schon große Debatten gehabt, weil sie sagt: Bei dir kommt die eigene Familie an letzter Stelle. Das stimmt nicht. Ich komme bei mir an letzter Stelle. Wenn ich mich heute in der Nacht irgendwann umdrehen muß, wecke ich meine Frau nicht. Mein Arzt, der mich seit 20 Jahren behandelt, ein einmaliger Mensch, sagt mir: Herr Bubis, wenn Sie Schmerzen haben, rufen Sie mich. Bei meiner letzten Nierenkolik habe ich bis 7 Uhr mit meinem Anruf gewartet, weil ich weiß, daß er um diese Zeit aufsteht. Ich bin vor Schmerzen bald geplatzt, aber ich wollte nicht um 5 Uhr anrufen und ihn bitten, wegen einer Spritze zu kommen.

STERN: Die Vergangenheit drückt?

BUBIS: Immer stärker. Mich hat eine Sache kaputtgemacht: meine Reise nach Brasilien, nach São Paulo. Seit ich das Bild meiner Nichte Rachel kenne, läßt mir das keine Ruhe mehr. Ich habe ein Bild von meinem Vater gehabt. Mein Vater ist vor meinen Augen deportiert worden. Ich habe in Brasilien Fotos von meinem Bruder, von meiner Schwägerin bekommen. Ich wußte gar nicht, daß es die gibt. Es sind die einzigen Fotos, die mir bis dahin völlig unbekannt waren. Aber erst das Bild meiner Nichte hat mich um 50 Jahre zurückgeworfen. Dieses unbeschwerte Kinderlächeln. Was hat dieses Kind dem Nationalsozialismus getan? Damit werde ich nie fertig. Bei diesem Bild meiner Nichte hat mich die Vergangenheit eingeholt. Ich habe nie sprechen wollen über meine Geschichte, auch auf Fragen nicht. Ich war oft in Polen und hatte viele Indizien, daß mein Vater nach Treblinka gekommen ist. Inzwischen ist es so gut wie Gewißheit. Ich war in Auschwitz, in Majdanek, ich war in Sobibor, nur nach Treblinka bin ich nie gegangen. Jedes Mal gab es irgendeinen objektiven Grund. Erst 1989 habe ich gesagt: Jetzt fährst du hin. Ich bin quasi den Weg meines Vaters gegangen, falls er überhaupt noch gehen konnte, falls er dort überhaupt lebend angekommen ist. Ich war nicht wieder dort. Ich kann nicht wieder hingehen.

STERN: Und Sie haben nie mit Ihrer Frau gesprochen über die eigene Lagerzeit?

BUBIS: Nie. Bis heute nicht. Dabei war meine Frau fast die ganze Zeit im selben Lager in Deblin. Sie ist dann in Dachau befreit worden, war vorher noch in Bergen-Belsen. Bis heute weigert sich etwas in ihr, nach Bergen-Belsen zu gehen. Und sie hat mir gegenüber bis heute nur eine einzige Bemerkung gemacht. 1995, als wir zur Feier "50 Jahre Befreiung Dachau" fuhren. Auf der Fahrt vom Münchner Flughafen nach Dachau hat sie beiläufig gesagt: Du hast gar nichts erlebt, Ignatz. Du warst nicht in Bergen-Belsen. Das war der einzige Satz, den meine Frau mir gegenüber jemals über diese Zeit verloren hat.

STERN: Aber mit Ihrer Tochter Naomi Ann haben Sie gesprochen?

BUBIS: Nur einmal, als die amerikanische Holocaust-Serie lief. Wir haben aber nicht über das eigene Schicksal gesprochen. Wie auch sollte ich meiner eigenen Tochter erzählen, wie würdelos man sich selbst gemacht hat, wie würdelos man gemacht wurde.

STERN: Warum sind Sie in Deutschland geblieben?

BUBIS: Ich habe nach dieser Antwort nie gesucht. Die einzige Frage, die ich mir heute stelle, ist: Wie hast du es 1945 überhaupt fertiggebracht, nach Deutschland zu kommen?

STERN: Und was ist die Antwort?

BUBIS: Es klingt schlimm und auch paradox, wenn ich das jetzt sage: Ich habe Israel 1951 zum ersten Mal besucht. Ich kam mir dort irgendwie fremd vor. Ich kam zurück nach Berlin und Stuttgart - dort lebte ich damals - und war zu Hause.

Mit Ignatz Bubis sprachen Michael Stoessinger und Rafael Seligmann.

 


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