936 jüdische Flüchtlinge aus Deutschland hofften auf
die Einreise und ein neues Leben in Kuba. Per Funkspruch zerschlug sich
diese Hoffnungen, als kurz vor der Ankunft der 'St. Louis' am 27. Mai 1939
der kubanische Präsident Federico Laredo Bru Anweisungen gab, niemand dürfe
an Land gehen. Die Visa wurden für ungültig erklärt. Die wachsende
Verzweiflung der Flüchtlinge führte zu den ersten Selbstmordversuchen. Die
Vorstellung nach Deutschland, wo viele bereits inhaftiert gewesen waren,
verbreitete Angst und Schrecken.
Nur 29 Passagieren wurde schliesslich die Einreise gestattet und so
liess denn Kapitän Gustav Schröder am 2. Juni die Anker lichte. Das
Drama der Flüchtlinge war über Presseberichte international bekannt
geworden und am Hafen drängte sich eine riesige Menschenmenge: 'Auf
Wiedersehen' riefen viele auf deutsch, 'Ihr werdet nicht
zurückgeschickt'.
Die Hoffnung der Flüchtlinge hatte ein neues Ziel: Die Vereinigten
Staaten von Amerika, für die bereits 700 Passagiere schon in Deutschland
einen Visumsantrag mit allen erforderlichen Unterlagen gestellt hatten.
Die 'Washington Post' schrieb 'Es sollte sich doch eine Möglichkeit
finden, um diesen Opfern der Verfolgung wenigstens eine Zeitlang
Zuflucht zu gewähren'. Jedoch: Sämtliche Appelle ans Weiße Haus blieben
unbeantwortet. Präsident Roosevelt bereitete seine Wiederwahl vor, und
Umfragen hatten gezeigt, daß erleichterte Einwanderung bei einer großen
Mehrheit der Amerikaner auf wenig Sympathie stoßen würde.
In verfolgten Menschen nur 'Last und Mißstand' erkannt
Nach einem Zwischenstop vor Miami nahm die 'St.Louis' am 6. Juni wieder
Heimatkurs. Auch der letzte Appell an Roosevelt: 'Herr Präsident, helfen
Sie den Passagieren, von denen 400 Frauen und Kinder sind', blieb
unbeantwortet. Inzwischen hatten sich aber vier europäische Staaten -
Großbritannien, die Niederlande, Belgien und Frankreich - bereit
erklärt, je etwa einem Viertel der Passagiere Asyl zu gewähren.
Die Irrfahrt auf den Weltmeeren endete am 17. Juni in Antwerpen. Das
Aufnahmeland wurde nach dem Alphabet bestimmt. Dem Anfangsbuchstaben
ihres Namens verdankten 25% der Verfolgten, daß sie nach England reisen
durften. Der Empfang in Großbritannien war wenig herzlich: 'Für mehr
Flüchtlinge ist in diesem Lande kein Platz', titelte der antisemitische
'Daily Express'. 'Sie werden zu einer Last und zu einem Mißstand.'
Trotzdem hatten diese 25% das einzig sichere Zufluchtsland erhalten.
Alle anderen Passagiere der 'St. Louis' wurden schon ein Jahr darauf -
nach der deutschen Besetzung der Niederlande, Belgiens und Frankreichs -
wieder zu Verfolgten. Die meisten wurden in deutschen Vernichtungslagern
ermordet.